Am 29. September ist Björn-Ulrich Brödel in Hamburg verstorben, wo er seit Jahrzehnten lebte. Er wurde 90 Jahre alt. Brödel, geboren 1931 in Königsberg, war der letzte noch lebende Angehörige einer widerständischen Gruppe von Neulehrern und Oberschülern in meiner Heimatstadt Altenburg. Die Gruppe hatte im Dezember 1949 mit einem selbstgebauten Radiosender die Lobrede des DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck anlässlich des 70. Geburtstages von des sowjetischen Diktators Josef Stalin zu stören und zu kommentieren. Brödel stand bei dieser Aktion, die in der Wohnung seiner Mutter stattfand, unten auf der Straße „Schmiere“.
Zudem schrieb Gruppenangehörige Parolen an das Gebäude der SED-Kreisleitung und andere Gebäude der Innenstadt und verteilten Flugblätter. Weil die Gruppe auch Kontakte zur antikommunistischen „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ hatte und einige für diese Organisation Informationen sammelten, wurde ihr von der sowjetischen Besatzungsmacht nach der Festnahme im Frühjahr 1950 neben antisowjetischer Propaganda und illegaler Gruppenbildung auch und vor allem Spionage vorgehalten. Diese Anklage führte zu vier Todesurteilen in drei Prozessen vor einem sowjetischen Militärtribunal. Jörn-Ulrich Brödel erhielt zusammen mit seiner Mutter Marie Brödel nach mehreren Prozesstagen am 13. September 1950 in Weimar das Urteil: 25 und acht Jahre Haft im „Besserungsarbeitslager“. Er verbrachte die Haftzeit bis zu seiner Entlassung im Rahmen einer Amnestie nach Stalins Tod im Januar 1954 in Bautzen, seine Mutter war ebenfalls bis Januar 1954 in Waldheim inhaftiert.
Nach seiner Entlassung studierte Brödel in Hamburg Betriebswirtschaftslehre. Er war viele Jahre in der Holsten-Brauerei tätig, unter anderem als rechte Hand des Vorstandsvorsitzenden.
Ich habe ihn 2002 kennengelernt, damals noch Student. Es folgten einige Treffen, Interviews, auch einzelne öffentliche Termine. Er war über die letzten immer wieder als Zeitzeuge unterwegs. Das Wirken der Altenburger Gruppe wurde in Artikeln und Aufsätzen, in einem Buch (das ich schreiben durfte), einem Theaterstück, in TV- und Radiobeiträgen, einem Dokumentarfilm und sogar einem Jugendroman thematisiert.
Möge Jörn-Ulrich Brödel in Frieden ruhen.
Kommentar schreiben